„Paranassius apollo vinningensis“. Der wunderschöne Schmetterling führt nicht nur den Namen Winningen in seinem Namen. Der Verweis auf den altgriechischen Berg der Musen lässt seine bevorzugte Heimat im Uhlen, dem Weinberg der Eulen, – die uralten Begleiter von Göttin Athene, – in einem ganz besonders apollinischen Lichte erscheinen.
Leider ist seine Population durch den Klimawandel sehr geschwächt. Seit Jahren wird daher versucht, seinen Lebensraum durch den Schutz und weitere Anpflanzung von Futterpflanzen sowie durch Entbuschung brachliegender Terrassen zu verbessern. Initiiert durch die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen (Schmetterlingskundler) wurde der Mosel-Apollofalter in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der BUND NRW Naturschutzstiftung gerade zum Schmetterling des Jahres 2024 gekürt.
Eigentlich eine gute Idee.
Bei näherer Betrachtung aber taktischer Auftakt einer gefährlichen Pressekampagne.
Mein Freund Asaf berichtet von einem Gespräch in der Waldorfschule. Der Lehrer: Jungen, die unter 10 Jahren schon das Rechnen erlernen, erkranken später an Diabetes. Asaf: Das glaube ich nicht. Gibt’s dafür Beweise? Der Lehrer: Beweisen Sie mir doch das Gegenteil!
Diese Geschichte spiegelt die aktuelle Diskussion. Nach einem extremen Winter reduzierte sich die Population der Apollofalter im Sommer 2012 auf dramatische 10 Prozent. Im Sommer 2013, also ein Jahr später, kamen neue Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Egal: Der Die Hobbyschmetterologen machen die Mittel für den Rückgang verantwortlich. Beweisen Sie das Gegenteil!
Lars Neumeister, der weltweit wohl rennomierteste NGO-Pestizidexperte (Greenpeace, WWF …) bescheinigt den Mitteln „keine Toxidität für Insekten". Egal.
So weit, so wirr. Aber leider auch so gefährlich. Denn die groß angelegte Kampagne „Chemie, Hubschrauber und Winzer töten Apollofalter“ fällt mit ihrem populistischen Strickmuster in weiten Bereichen der Öffentlichkeit auf fruchtbaren Boden. Weg mit den Pestiziden! Der Fachbegriff für Substanzen, die unsere Pflanzen vor der „Pest“ schützen, hat durch geschickte PR in der breiten Öffentlichkeit die Symbolkraft der „Pest“, die es auszurotten gilt, angenommen.
Und wenn doch etwas dran ist an den Spritzmitteln? Wenn nicht die Mittel selbst, sondern ihre Reaktionen untereinander oder Zusatzstoffe problematisch sind? Thermik, Abdrift… Durch moderne Messmethoden lassen sich ja überall an der vierten Stelle hinter dem Komma die oft zweifelhaften Errungenschaften der Zivilisation feststellen. Aber solange uns selbst Lars Neumeister grünes Licht gibt...
Anders sind die von der Fachwelt vorgetragenen Verweise auf den Klimawandels zu bewerten. Die Winter sind zu feucht und zu warm - die Eier des Schmetterlings verschimmeln. Und bei den heißen, trockenen Sommern korrelieren die Entwicklungsphasen des Falters immer weniger mit der Blüte ihrer Futterpflanzen und Wasserspender. Für uns traurige aber nachvollziebare Argumente.
Zur Realität unserer Terrassen. Drei Aspekte eines intakten Ökosystems.
-Humus. Selbst das extrem heiße Trockenjahr 2018 bescherte uns reife Trauben und hocharomatische Weine. Zeichen für einen gesunden, lebendigen Boden, in dem unzählige Mikroben und andere Bodenbewohner an einer positiven Humusbilanz beteiligt sind.
-Schlingnattern und unzählige Mauereidechsen bevölkern die Trockenmauern bei einem paradiesischen Nahrungsangebot.
-Im Sommen 2023 flatterten Apollos inmitten unserer Weinberge im Uhlen Laubach. Demgegenüber konnten in weit von jeder möglichen Abdrift entfernt liegenden entbuschten Hotspots, kein einziger Falter gezählt werden.
Terrassenweinberge sind keine Naturlandschaft, sondern eine von Menschen über Jahrtausende angelegte und gepflegte Kulturlandschaft. Werden Weinberge wieder der Natur überlassen, erstickt wucherndes Gestrüpp die einzigartige Steillagenflora und -fauna innerhalb weniger Jahre. Mit diesem Szenario waren unsere Vorfahren vor 170 Jahren konfrontiert, als der Weinbau durch aus Amerika eingeschleppte Krankheiten fast komplett zum Erliegen kam. Die Rettung erfolgte durch die Entwicklung von Pestiziden. Darauf sind die Reben nach wie vor angewiesen.
Auch wenn es vielen nicht ins Weltbild passt: Nur der intelligente Einsatz von Pflanzenschutzmitteln garantiert den Erhalt des Weinbaus, ermöglicht das Fortbestehen der Kulturlandschaft und bietet die Chance, trotz Klimawandel unserem wunderschönen Apollofalter sein Überleben zu sichern.
Reinhard Löwenstein. 2024
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„Da muss man einen Skandal konstruieren“
Forum der AG R-W-Lepidopterologen
https://forum.lepiforum.org/postJan /920782
„In diesem Fall hilft nur der radikale Weg über die Medien, die sich natürlich nicht von selbst für den Apollo interessieren. Da muss man einen Skandal konstruieren, politische Figuren oder Parteien ins Rampenlicht zerren, und mit sowas den Medien ihre dringend benötigten Klickzahlen liefern. Bei Politikern instrumentalisiert man dafür am besten den politischen Gegner. Mit sachlichen Briefen … erreicht man nicht das, was man jetzt möglichst unverzüglich braucht...."
Der Pestizidexperte Lars Neumeister
https://www.pestizidexperte.de/index.php